Vor zwanzig Jahren erlernte ich bei Dürckheims Schüler, Pieter Loomans in Todtmoos/Schwarzwald die “Initiatische Leibtherapie”. Nach dem Motto Dürckheims “vom Körper, den ich habe, zum Leib der ich bin” unterstützt der Therapeut den Klienten dabei, seinen Körper als beseelten Leib wahrzunehmen. Der Therapeut befindet sich dabei in einer gesammelten, meditativen Haltung. Intuitiv lässt er seine Hände den Körper des Klienten berühren, mit oder ohne Druck: die Hand, den Ellenbogen, Schulter, Hüfte, Knie, Fuß usw.
Der Therapeut versteht sich dabei als Katalysator, ohne Absicht zu retten oder einzugreifen, ohne die Absicht “Negativenergie” zu nehmen oder “positive Energie” zu geben. Er stellt seine Handflächen dem Klienten zur Verfügung, die wie ein Hohlspiegel dessen eigene Energie zurück werfen. So kann sich die Wahrnehmung des Klienten seinem eigenen Körper zuwenden, blockierte Energie kann ins Fließen kommen. Im Körper gespeicherte Erinnerungen, schöne aber auch verletzende, werden bewusst oder tauchen auch in Träumen auf. So wird der Klient bei seinem – bisweilen schmerzhaftem – Prozess der Selbstbegegnung, der Selbstfindung unterstützt.

Für Klienten mit Verschmelzungstendenzen – aber auch für Therapeuten mit Helfersyndrom – ist die so praktizierte Leibtherapie besonders heilsam. Sie ermöglicht die Erfahrung, gleichzeitig Nähe zum Anderen zu erleben und bei sich selbst zu sein. So kann ein Ich wachsen, das auch in der Begegnung mit dem Du bei sich bleibt. Erst so wird im Kontakt eine Begegnung mit dem Anderen aber auch mit sich selbst möglich, anstelle einer oberflächlichen Anpassung.

Bei einigen Klienten habe ich den Eindruck, dass sie mit ihrer Energie, ihrer Aufmerksamkeit entweder ganz bei anderen oder nur “im Kopf” sind. Meist haben sie kalte Hände und Füße, so als hätte sich ihre Seele – infolge von Verletzungen? – ein Stück aus dem Körper zurückgezogen.

Bei der Leibtherapie kann es dann geschehen, dass die zunächst kühlen Hände und Füße sich erwärmen und dass der Klient selbst seine Hände und Füße als zugehörig erlebt. Fast scheint es, als fühle sich die – verletzte? – Seele durch die behutsame Berührung des Therapeuten eingeladen, vorsichtig und schrittweise sich wieder im Körper auszubreiten, sich zuhause zu fühlen. So als wage es die Seele, der angebotenen Hand des Behandlers zu begegnen, indem sie sich in die eigene Hand “vorwagt”, so als wolle sie ihm ihrerseits “die Hand reichen”.

Ergänzend zur Leibtherapie achtet der Behandler auf auftauchende Bilder, Erinnerungen und Träume des Klienten, die zusammen angeschaut werden.
Es scheint, dass die durch den Behandler initiierte achtsame Zuwendung des Klienten zu seinem Körper blockierte Energien, blockierte Erinnerungen löst, die schrittweise integriert werden können.

Dieser Prozess kann weiterhin unterstützt werden durch das sogenannte “geführte Zeichnen” (Maria Hippius). Mit geschlossenen Augen zeichnet der Klient, in beiden Händen ein Stück Kreide, auf ein großes weißes Blatt. Er folgt unbewussten inneren Bewegungsimpulsen unterschiedlichster Qualität und Gefühlslage. Aber auch Bildhaftes kann sich auf diese Art und Weise darstellen und angeschaut werden.
Diese Vorgehensweise ist sehr geeignet für Menschen, die noch wenig Zugang zu ihren eigenen inneren Impulsen haben, vielleicht weil sie mit ihrer Aufmerksamkeit zu sehr bei den Anderen sind.

Die Kombination Leibtherapie/geführtes Zeichnen ist besonders angezeigt für Klienten, die sich in einer Familienaufstellung ihres “Verschmelzungssyndroms” bewusst geworden sind und Unterstützung für ihren Selbstfindungsprozess suchen.

München 02.03.2005 (Erstfassung)

Dr. med. Ernst Robert Langlotz