Prozessorientiertes Familienstellen in der psychiatrisch-psychotherapeutischen Praxis I

Seit 10 Jahren verwende ich systemische Aufstellungen in meiner psychiatrischen Praxis, sowohl in der Einzelberatung als auch in der Gruppe (Aufstellungsseminare).


Die Familienskulptur

Virginia Satir hat die Methode der "Familienskulptur" entwickelt und erstmals Familienmitglieder durch Stellvertreter repräsentieren lassen. Bert Hellinger modifizierte diese Methode und verbreitete sie weltweit unter der Bezeichnung "Familienaufstellung". Entscheidend war die Einbeziehung auch der Verstorbenen der letzten Generationen. Dadurch wurde deutlich, dass diese häufig von späteren Familienmitgliedern vertreten werden ("Identifizierung").

Das Familienstellen hat inzwischen weltweit Verbreitung und Anerkennung gefunden. Viele Ärzte und Psychotherapeuten lehnen jedoch das Familienstellen ab. Manche haben Probleme mit der Person Bert Hellingers, andere werden durch das unprofessionelle Verhalten mancher Hellinger-Nachahmer abgestoßen.
Ich fände es bedauerlich, wenn dadurch das therapeutische Potential der Familienaufstellung ungenützt bliebe.


Eigene Erfahrungen

Entsprechend meiner zum Teil psychiatrischen Klientel habe ich die Methode modifiziert. Nach meiner Einschätzung handelt es sich um eine hoch effiziente, eigenständige Variante einer systemischen Familientherapie, welche das therapeutische Spektrum wesentlich bereichern kann.
Schon die gezielte systemische Familienanamnese, welche nach früh verstorbenen, ausgeklammerten und ausgestossenen Familienmitgliedern der letzten drei Generationen fragt, aber auch nach Trauma und Schuld, kann unerwartete positive Wirkungen auslösen.


Fallbeispiel

Eine ca. 30jährige Klientin sucht mich auf, da sie seit einem Jahr arbeitslos ist. Bei der systemischen Familienanamnese berichtet sie, dass die Großmutter an Krebs erkrankte. Der Großvater hatte eine Freundin, welche schwanger wurde noch bevor die Großmutter gestorben war. Ich gab dazu nur den Kommentar:
"Da hat sich wahrscheinlich jemand schuldig gefühlt. Manchmal sühnt dann jemand aus der nächsten oder übernächsten Generation und auch Arbeitslosigkeit kann als unbewusste Sühne verstanden werden."
Vier Wochen später schrieb sie mir, dass sie keine weitere Behandlung brauche, der Zusammenhang sei ihr deutlich geworden, sie habe inzwischen Arbeit gefunden!


Das Familienbild

Bereits beim Erstinterview kann der Klient seine Familie mit Figuren aufstellen. Dies Familienbild spiegelt präzise ein inneres, bisher unbewusst wirkendes Bild des Klienten vom Beziehungsgeflecht seiner Familie und dessen Verwerfungen wider. So wie der Traum, kann auch das Familienbild als "Via Regia", als ein Königsweg zum Unbewussten verstanden werden.
Das Familienbild zeigt, dass viele Eltern den Partner oder die Kinder gar nicht anschauen, an ihnen "vorbei sehen" oder ihnen gar den Rücken zuwenden. Die Erfahrung zeigt, dass diese Eltern sich von verstorbenen Angehörigen noch nicht wirklich verabschieden oder von den eigenen Eltern nicht ablösen konnten, sodass sie gar nicht "frei waren", ihren angemessenen Platz neben dem Partner einzunehmen, sich emotional dem Partner und den Kindern zuzuwenden.

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