INSTITUT SYSTEMISCHE SELBST-INTEGRATION LANGLOTZ-KUTZELMANN

  • Mitleid und „Fremdschämen“
  • Leid verwandeln in Glück – durch Perspektivwechsel


Liebe Freunde,
liebe Kolleg*innen,

heute geht es um ein Phänomen aus dem Alltag:

Mitleid und „Fremdschämen“

Mitleid gegenüber belasteten Menschen ist sehr häufig und wird meist als „Liebe“ oder Tugend missverstanden. Doch mit Liebe und Respekt hat das nichts zu tun.
Diese Einsicht verdanke ich einem mehrfach behinderten Klienten aus meiner Zeit als Nervenarzt. Dieser hochintelligente Mathematiker war blind und fast taub und zusätzlich hatte er eine Gangunsicherheit wegen einer Polyneuropathie. Trotzdem meisterte er sein Leben mit Hilfe verschiedener Instrumente, die er geschickt bediente. Er konnte sogar an einem Laptop arbeiteten. Die zuständige Sozialbehörde wollte ihm etwas Gutes tun und hat ihm einen Platz in einem Heim für Blinde verschafft. Wohlmeinende Mitglieder einer Kirchengemeinde hatten Mitleid mit ihm, und „kümmerten“ sich – ungefragt! – um ihn. Er erzählte mir, wie demütigend das für ihn war, diese „mitleidsvolle Zwangsbeglückung“. Und ich verstand, was dieser tapfere Mann eigentlich verdient hätte: Anerkennung und Wertschätzung dafür, dass er seine Behinderungen so gut meistern konnte. Ich unterstützte ihn dabei, eine eigene Wohnung zu finden, um aus dem Blindenheim auszuziehen. So konnte er noch ungefähr 10 Jahre frei und selbstbestimmt leben. Man hatte ihm nicht nur seine Autonomie genommen, sondern die mitleidigen Gemeindedamen hatten ihn auch noch emotional benutzt, um ihr Mitleid zu demonstrieren, das sie irrtümlich für eine christliche Tugend hielten.
Seit einigen Jahren verbreitet sich auch das Phänomen „Fremdschämen“: wenn jemand sich unschicklich verhält, oder eine Behinderung hat, dann gibt es Andere, die völlig arglos mitteilen, dass sie sich dafür schämen, so als hätten sie selber sich so verhalten.
Wenn man ChatGPT dazu befragt – eine beliebte Auskunftsstelle für allgemeine Fragen! –  handelt es sich um Empathie, ist also gesund und sogar ethisch wertvoll.
Aus meiner Sicht hat „Fremdschämen“ mit wirklicher Empathie nichts zu tun, da Achtung und Respekt für den anderen fehlt. Aus meine Sicht handelt es um eine  fehlende Abgrenzung, und zwar in doppelter Hinsicht: erst unterstellt man dem anderen eigene Wertvorstellungen, und dann versetzt man ich in seine Rolle und übernimmt die Gefühle, die man auf ihn projiziert. Die „Fremdschämer“ schaffen das ratz-fatz. Im Grunde ist das so kompliziert, um das zu verstehen müsst ihr das zweimal lesen!;-)
Für mich ein Indiz, wie sehr die symbiotische Verwirrung in unserer Gesellschaft fortschreitet.
Wenn jemand sich zu Unrecht angegriffen fühlt – vielleicht ein neues Phänomen: „Fremdverletzung“? – dann schlage ich ihm vor, das selber durch eine Aufstellung mit Symbolen zu klären.
Ich erzähle euch das nicht ohne einen Hintergedanken. Wie ihr in meinen YT-Beiträgen seht, werde ich langsamer, die Sprache ist manchmal leise und nicht so gut verständlich, und ich habe einen leichten Kopftremor, Zeichen einer milden Form von Parkinson.
Warum ist das kein Grund für Trauer, Mitleid oder Fremdschämen?
Dazu eine nette Anekdote: Zwei Männer unterhalten sich, was besser sei, Demens oder Parkinson. Sagt der eine: „natürlich Parkinson! Da verschütte ich vielleicht ein paar Tropfen von meinem Whisky – aber ich vergesse nicht, wo ich ihn versteckt habe!“

Leid verwandeln in Glück – durch Perspektivwechsel

Das ist der Titel meines neuen Buches, mit Illustrationen von Stine Engeli. Vielleicht gelingt es mir es noch vor Weihnachten herauszubringen!

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Ero und Phil

(versendet: 28.11.2025)