INSTITUT SYSTEMISCHE SELBST-INTEGRATION LANGLOTZ-KUTZELMANN

  • Erstverschlimmerung
  • Fixierung auf Leid, als Element des posttraumatischen „Stressmodus“
  • Der „weiche Blick“


Liebe Freunde,
liebe Kolleg*innen,

gerade bekomme ich von mehreren Klienten Rückmeldungen zum Thema

Erstverschlimmerung

– was bedeutet das, und wie kann man damit umgehen?
Durch die Strategie des Selbst-integrierenden Stressorauflösung (SISTA) kann offensichtlich das als Introjekt gespeicherte Trauma mit den damals unbewusst entwickelten Überlebensreflexen (selbst-Verleugnung und magisch-grandiose Strategien) erkannt und gelöscht werden.
Das wirkt einerseits sehr befreiend. Zugleich werden aber auch die lange unterdrückten – eigentlich gesunden – „negativen“ Gefühle frei: Schmerz, Trauer, Wut, Verzweiflung, die der Klient als Kind nicht zulasse konnte, um die lebensnotwendige Zuwendung der traumatisierten Eltern nicht zu verlieren.
Das kann als heilsamer Selbstreinigungsprozess verstanden werden-ist aber für die Betroffenen häufig sehr schmerzhaft, ungewohnt, vor allem wenn zuviel des „Negativen“ hochschwappt. Dann ist es hilfreich, dass als notwendigen Prozess zu verstehen, und das „Negative“ durchzulassen, ohne sich damit erneut zu identfizieren. Was zuviel ist, muss man unter Umständen vorübergehend wieder unterdrücken, um es nach und nach, in kleinen Portionen zuzulassen.
Dazu eine Rückmeldung von L.deren narzisstischer Partner sich vor 15 Jahren von ihr und dem gemeinsamen Sohn F getrennt hat.:
https://www.systemische-selbstintegration.de/t289f2-ERSTVERSCHLIMMERUNG-WIE-DAMIT-UMGEHEN.html

L: Was ich festgestellt habe, dass es erst eine Erstverschlimnerung gab.
Ich wollte F.s Vater dazu bewegen F mal zu besuchen (erfolglos) und es war ein sehr schmerzhafter Prozess für mich den ganzen Schmerz noch einmal zu durchfühlen. Das grauenhafte und unmenschliche Verhalten zu akzeptieren. Mir wurde viel bewusst über die letzten 15 Jahre und dass es nicht förderlich war, auf seine Präsenz zu bestehen. Bzw. Immer zu denken es sei wichtig und ich müsse mich und meine Wahrheit opfern, weil ich mich schuldig fühlte mich getrennt zu haben. Und zu glauben es sei wichtig um den lieben Frieden willen mich mit Themen, Menschen und Ereignissen zu beschäftigen die mit meinem wahren Wesen nicht vereinbar sind.

Ero: das schmerzliche verdrängen-um den schmerz nicht spüren zu müssen – bewirkt, dass der schmerz nie aufhört!!
L: Jetzt, nachdem ich es so akzeptiert habe nehme ich wahr dass mehr Ruhe einkehrt bei uns zu Hause, obwohl es herausfordernd ist. Die Themen gehen wir an (konstruktiver), es gibt Konflikte die allerdings dazu führen dass die Verbindung tiefer wird. Ich lerne gerade meine Wut und meine Meinung auszudrücken und kund zu tun und sie nicht mehr zu unterdrücken- auch nicht gegenüber meinen Sohn bzw. Weniger gegenüber meinem Sohn weil ich ihn jetzt nicht mehr so schonen muss sondern ihn auch was zumuten kann. Mich zumuten kann, als Mutter.

Ero: Super! so wirst du zur tigermutter! Nur so hat dein sohn die chance, selber tiger zu werden!

L: Und ich merke dass ihm das gut tut. Und mir zeigt es, dass sich dann auch was bewegt und verändert. Ich merke dass ich mich die ganze Zeit kleiner gemacht habe, abhängig gemacht habe obwohl ich viele Dinge einfach besser mache und habe wenn ich sie selbst in die Hand nehme.

Mir wird jetzt erst bewusst wie belastend der Kontakt zu meinem Exmann war, seitdem er ihn abgebrochen hat.

Natürlich war das hart, verstossen und allein gelassen zu werden, weil ich Gewalt nicht befürworte und Grenzen setze. Hart war es die Gefühle zu fühlen, dein Kind über Monate leiden zu sehen, krank zu sehen, selbst krank zu sein und somit geschwächt und zu merken da ist kein Vater der sich für ihn noch für mich interessiert, mich blockiert und ich komplett allein bin mit allem und zudem zusehen muss wie F diese harte Erfahrung macht komplett ignoriert zu werden.

Soviel Wut, Trauer, Schmerz v.a. aber extreme Wut und Hass hab ich gespürt.
Ich wollte einfach diese Gefühle nicht fühlen und dachte wenn ich nur genug tue dann wird alles gut, die Wunschvorstellung, die Illusion.

Ero: diese “negativen” – aber gesunden! – gefühle zu unterdrücken, um eine illusion von „heiler welt“ aufrecht zu erhalten, hat soviel kraft gekostet!

L: Langsam verstehe ich, dass das vollkommen gesund war und ist und dass da meine Kraft verborgen liegt und mein Selbstvertrauen.

Gerade merke ich, dass es so viel ruhiger und schöner ist und es macht mich sehr glücklich und entspannt zu wissen dass so etwas nie wieder passieren wird.

Ich verstehe jetzt auch was mit der “höheren” – z.B. der rationaler – Ebene gemeint ist, denn diese rationale Ebene (drüber stehen) (erklären) inklusive das flüchten in Fantasiewelten / Illusion statt einmal die schrecklichen Gefühle zu fühlen durch das Akzeptieren der Realität ist ausschlaggebend gewesen für einen Teufelskreis über 15 Jahre. Und dieser ist nun beendet. Ich möchte gar keinen Frieden mehr im Außen der sowieso nie möglich war und auch keinen ständigen Krieg. Ich schließe Frieden mit der Situation, so wie sie ist. Und ich bin dankbar für unseren Sohn und dafür dass jetzt der Kontakt und somit das Gift beendet ist.
Ero: wie klar du das beschreiben kannst! Bert Hellinger – dem ich viel verdanke – nannte das “Anerkennen, was ist!”

L: Ich merke dass sich dadurch ein neuer Raum öffnet, für mich.

Ich kann jetzt mehr ich sein.
Muss mich nicht mehr verstellen.
Und das befreit und stärkt meinen zutiefst angekratzten Selbstwert von über Jahrzehnten narzisstischen Missbrauch.

Keine emotionale, psychische und physische Gewalt mehr.

Ich bin frei.

Und dank SSI hab ich gelernt zu unterscheiden.

Eine Resilienz und Authentizität entwickelt ohne die ich heute nicht mehr da wäre und nicht die Möglichkeit hätte ganz anders in Verbindung zu gehen.

Es ist ein Weg, ein Prozess, mit Rückschlägen. V.a. weil es ein pionierhafter Weg ist, zumindest da wo ich lebe und herkomme… 😉
Ero: das stimmt. Sich aus der kollektiven Verwirrung einer traumatisierten Familie zu befreien ist ZUNÄCHST immer PIONIER-ARBEIT!

L: Doch langsam fange ich an ihn (diesen Weg) zu lieben und merke dass er auch und vor allem in die Beziehung zu meinen Eltern sehr viel Heilung gebracht hat.
Dass wir uns heute so begegnen können, dafür bin ich sehr dankbar.

Vorgestern war ich mit meiner Mutter im Wald, und sie erzählte mir von ihr, von ihren Kindheitserfahrungen durch bis hin zu meinen Ururgrosseltern…

Und plötzlich viel es mir wie Schuppen von den Augen, sie waren, v.a. meine weibliche Ahnenlinie alle Freiheitskämpferinnen… jede auf ihre Art und Weise mit ihrem Schicksal… und mich erfüllte Demut und eine tiefe Dankbarkeit und Wertschätzung und auch das Fühlen des Wunders dass ich heute hier sein darf und so frei leben kann. Das hab ich ihnen zu verdanken. Mir wurde klar dass ich das Gute nicht sehen konnte. Und spürte Frieden in mir.

Ero: das ist die Transformation. Sobald du mit deinem eigenen SELBST verbunden bist, kannst du auch in dieser traumatisierten Familie die gesunden, selbst-verbundenen Angehörigen wahrnehmen – statt zwanghaft fokussiert zu sein auf eigenes und fremdes Leid!
Das sind die „hilfreichen Ahn*innen, von denen Phil immer spricht.

L: Jetzt ist für mich dran, mich beruflich und finanziell wieder neu aufzustellen und ich vermute das gelingt mir jetzt leichter, weil ich mich sicherer fühle in mir, mich bereit fühle Entscheidungen neu zu treffen und jetzt auch weiss, was mich Glücklich macht.

Fixierung auf Leid, als Element des posttraumatischen „Stressmodus“

Wir sehen bei unseren Klienten, dass sie sich gar nicht dessen bewusst sind, wie extrem fixiert sie sind auf ein altes Trauma und die damals entwickelten Überlebensstrategien. Möglicherweise wirkt da eine illusionäre, eine „magische“ Vorstellung, nur so eine Wiederholung des Traumas verhindern zu können. Dabei ist genau das Gegenteil der Fall!
Philipp Kutzelmann teilt mir parallele Beobachtungen aus der Körpertherapie mit:
In der achtsamkeitsbasierten Schmerztherapie geht man z.B. von der Maxime aus, dass, solange wir noch Atmen, mehr Gesundes im Körper ist als Ungesundes. Patienten lernen z.B. Body-Scans, die sie in Eigenregie regelmäßig durchführen können, wo sie im Liegen durch den ganzen Körper wandern und lernen, absichtslos wahrzunehmen, was dort überhaupt ist. Das klingt banal, ist aber für viele Menschen eine ganz ungewohnte Erfahrung. Viele können nicht einmal spüren, dass der Körper auf der Erde aufliegt, aus welchen Teilen er besteht, wie sich die von Innen anfühlen etc.

Auf diese Weise lernen sie zum Einen, einfach beim Schmerz zu verweilen ohne in verändern zu müssen; sie werden aber auch dazu aufgefordert, bewusst in Körperteile hineinzuspüren, die sich Gesund, Entspannt und Kraftvoll anfühlen. Das weicht den einseitigen Fokus auf die schmerzhaften Zustände auf und lässt einen einen auch all das wahrnehmen, was am Körper bereits funktioniert. Ähnlich wie Hensels doppelte Aufmerksamkeit.
Körperarbeit sollte stets in Körperachtsamkeit eingebettet werden. Und in akuten Krisensituationen hat die Körperachtsamkeit Vorrang vor der Körperarbeit und anderen Formen des Arbeitens.

Der „weiche Blick“

In meiner Jugend waren die Bücher von Castaneda über einen indianischen Schamanen sehr verbreitet. Dieser beschrieb einen veränderten Bewusstseinszustand, der einherging mit dem „weichen“ Blick – der nicht fixiert war auf ein Objekt. Das ermöglicht es, alle Sinneskanäle gleichzeitig zu öffnen und auf sehr besondere Weise ganz im „Hier und Jetzt“ zu sein.
Dies Phänomen war auch den Baumeistergilden der Gotik bekannt (George Pennington „Die Tafeln von Chartres, Patmos Verlag). Auch die französischen Zigeuner kannten diese Schulung zum weichen Blick, durch Verwendung dieser Tafeln.
Dazu habe ich gerade eine aktuelle Website gefunden: https://www.pennington-training.com/index.php?option=com_content&view=article&id=10&Itemid=116&lang=de

TERMINE

In der archivierten Form des Newsletters werden die Termine nicht hinterlegt. Eine Übersicht aktueller Termine finden Sie auf unserer Homepage.

Wir grüssen euch herzlich!

Ero und Phil

(versendet: 10.04.2024)